Vanquished and victors in WWI:
The Armistice talks between Mihály Károlyi and the deputies of the new Hungarian republican government and the French General, Louis Franchet D’Espèrey.
Recounted by Lajos Hatvany.
Belgrade, 7 November 1918.
[419] Morgen kommt Franchet D’Esperay, der Landsmann jenes Jaurès, der das Buch über die Neue Armee geschrieben hat; — morgen gibt es Frieden und gegenseitiges Verstehen, denn morgen begegnen sich auf den Trümmern von Imperialismen die zwei Republiken: Ungarn und Frankreich. [420]
In allen Auslagen ist das Bild König Peters. Was will dieser balkanische Bruder jener von Hohenzollern, dieser wilde Mann des Schwertes und des Mordes? Neuen Militarismus, neuen Krieg? Die serbischen Offiziere erklären mir, daß das Königtum zwar wiederhergestellt wird, der König jedoch nur sehr bedingte Rechte haben soll. Das Volk wünscht Miliz. Man will nichts mehr von allgemeiner Wehrpflicht wissen. Der Krieg soll also doch nicht ganz umsonst gewesen sein!
Auf alle Fragen wird der heutige Abend Antwort geben. Frankreich gibt das Signal, ob Versöhnung oder Haß, Krieg oder Frieden!
Am Abend um sechs Uhr ist der General angelangt. Im Wind, im Dunkel der Nacht, über den bangen Köpfen kaltes Sternenlicht, gehen die Abgesandten des Friedens durch zerschossene Gassen, am zerschossenen Theaterbau vorbei, durch dessen Skelett der Wind pfeift und den unversehrten Luster gespenstisch klirren macht.
Theatergasse 5. Die Wache läßt uns passieren. Kleines Vorzimmer. Durch die Fenstertür sieht man in den Salon des seligen Privatiers Hadji Thoma, des einstigen Hauseigentümers. Die Salontür wird geöffnet, wir treten ein.
Karolyi stellt uns der Reihe nach auf, so daß die Deputation das Zimmer in der Mitte durchquert. Vor uns zwei französische Offiziere und ein serbischer Offizier.
— Dürfen wir den General rufen?
— Ja, wir bitten darum!
Der eine französische Offizier verschwindet [421] durch die Türe links. Wir fühlen die Herzen in der Kehle klopfen. Was wird sein?
Der kleine Napoleon tritt heraus. Ein feistes, derbes Kommandogesicht. Wo habe ich ähnliche Gesichter gesehen? Nun fällt es mir ein. Ja, anf Postkarten von deutschen Kriegsherren. Unter denen gibt es zwei Gattungen. Die Langen, Strammen und die Untersetzten, Fetten. Die Mackensen-Art und die Emmich-Sorte. Franchet D’Esperay gehört zur letzteren. Jeder Zoll, ein Henker. Ich ahne nichts Gutes.
Er bewegt sich schnell, er lodert uns an mit schwarzen, herausfordernden Adleraugen. Dann lehnt er sich an das Gesims des Kamins. Stille. Nach berühmten Mustern. Der Napoleon aus Madame Sans-Gêne. Hinter ihm ein leberkranker, gelber Offizier, mit herabhängendem Schnurrbart. Ich erkenne in ihm den Verstand des Regiments, der dem General die Diplomatie eingebläut hat. Selbst die höchste Spannung wird so überspannt. Das ist nicht auszuhalten! Was wird sein?
Károlyi spricht: “Herr General! Ich bin vor Ihnen mit dieser Friedensdelegation erschienen, gestatten Sie, daß ich deren Mitglieder vorstelle.”
Doch die französische Demokratie reicht der ungarischen keine Bruderhand. Aus dem einfachen Grunde, weil die französische Demokratie in diesem Franchet D’Esperay von einem französischen Royalisten und Imperialisten vertreten war.
Franchet-Emmich-D’Esperay bewegt seinen starren Hals zu einem kaum vernehmbaren stolzen Gruß, statt eine Bruderhand zu reichen. Er grüßt mit dem Zucken seiner Wimpern, dann schaut er als [422] Sieger, als Feind, grausam und höhnisch, Besiegten und Feinden in die Augen:
— Sind Sie der Premier? Sind Sie Károlyi? Stellen Sie sich mir gegenüber, damit ich Sie sehe.
Und nun zu einem der Minister sich wendend:
— Sind Sie ein Minister? Waren Sie Abgeordneter?
— Nein.
— So. Was waren Sie denn?
— Radikaler Journalist.
Nun nimmt er die sich Anmeldenden: den Nationalrat und den Arbeiterrat der Reihe nach zur Kenntnis. Vor dem Soldatenrat stutzt er und indem er seine Lippen zu spöttischem Lächeln verzieht und als guter Komödiant seine Worte mit entsprechendem Mienenspiel begleitet, läßt er die Worte fallen:
— Je ne vous croyais pas descendu aussi bas! (Ich dachte nicht, daß sie so tief gesunken wären!)
Hatte der Franzose ein Recht zu diesem Spott? Die Alliierten haben gegen unseren Militarismus gekämpft, sie haben ihn zerbrochen, uns schien es, um eine neue Welt ohne Militarismus einzurichten. Ein Mann aus dem Lande der Freiheit und Bürgerlichkeit müßte das Instrument der Auflösung jenes verhaßten Militarismus eigentlich mit begeisterter Freude begrüßen. Nun tut er gerade das Gegenteil. Er spricht ihm Hohn. Es gibt auch gallische Preußen, R o m a i n R o l l a n d, ihr wißt es nur zu gut.
Nun erst ward es uns klar, daß hier nicht das Recht über Gewalt, nicht die Menschlichkeit über Brutalität, sondern eine Gewalt über die andere, eine [423] Brutalität über die andere, ein rechtloses und unmenschliches Urteil sprechen soll!
REFERENCE
Hatvany, Ludwig. Das verwundete Land. Leipzig, Wien, Zürich: E. P. Tal & Co. Verlag, 1921. 419-23. Internet Archive.